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Alle haben reineweg über Wirtschaft und Zahlen geredet, als es heute im Landtag um die Fachregierungserklärung „Existenzen retten, Verluste mildern, kraftvoll aus der Krise: Ein solidarischer Schutzschirm für Arbeit und Wohlstand.“

Ich habe ver­sucht deut­lich zu machen, dass beson­ders auf die Touris­mus­branche geschaut wer­den muss, weil deren Exis­tenz Lebens­ge­fühl aus­macht, weil sie dafür sorgt, das Regio­nen attrak­tiv sind, dass wir alle Rah­menbe­din­gun­gen vorfind­en, die Sach­sen lebenswert machen und ganz wichtig, dass wir auch nach Coro­na weltof­fen sind.

Lest selb­st!

Sehr geehrter Herr Präsi­dent,

verehrte Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

wir wollen die heutige Fachregierungserk­lärung zum The­ma „Exis­ten­zen ret­ten, Ver­luste mildern, kraftvoll aus der Krise: Ein sol­i­darisch­er Schutzschirm für Arbeit und Wohl­stand“ nutzen, um über Touris­mus zu reden. Auch hier geht es um Exis­ten­zen und Ver­luste. Hier geht es aber auch darum, ganze Regio­nen lebens- und liebenswert zu hal­ten. Ja, hier geht es um ein Lebens­ge­fühl.

Wir hof­fen inständig, dass Sach­sen auch nach Coro­na noch weltof­fen und gast­fre­undlich ist, dass Touristin­nen und Touris­ten gern zu uns kom­men.

Wir wollen auch über Touris­mus reden, weil die Men­schen hier in Sach­sen Freizeit­ein­rich­tun­gen, Gas­tronomie, Hotels brauchen und dort Men­schen arbeit­en. Knapp 1/4 des wirtschaftlichen Umsatzes wird im Touris­mus erwirtschaftet — weit mehr als im Dien­stleis­tungs­bere­ich und Einzel­han­del. Und Tausende von Men­schen sind in Sach­sen im Touris­mus beschäftigt, die derzeit nicht wis­sen, ob sie als Soloselb­ständi­ge oder als Unternehmen die Krise über­haupt über­ste­hen.

Ich bin mir sich­er, dass nach Coro­na das meiste nicht mehr so sein wird, wie es war.

Wir gehen auch davon aus, das weite Teile des gesellschaftlichen Lebens noch eine ganze Weile eingeschränkt bleiben und wir für län­gere Zeit ler­nen müssen, mit diesem Virus zu leben.

Für uns LINKE ist es selb­stver­ständlich, dass Gesund­heit und Sicher­heit der Men­schen Pri­or­ität hat, auch wenn wir über Exit­strate­gien reden.

Und Ihr Gerede, Herr Urban über Lockerun­gen, die ihnen offen­sichtlich ver­bor­gen geblieben sind, zeigt ein­mal mehr, dass sie nicht über ihren deutschen Teller­rand schauen. Son­st wüssten sie, was in Spanien, Ital­ien, Frankre­ich und ander­swo los ist.

Uns allen muss allerd­ings klar sein, dass Touris­mus- und Freizeitun­ternehmen völ­lig anders funk­tion­ieren als andere Dien­stleis­tungs­be­triebe.

All die aus­ge­fal­l­enen Umsätze sind nicht repro­duzier­bar.

Der Gin Ton­ic, die Apfelschor­le oder das Her­rengedeck in der Kneipe wer­den später nicht ein­fach zusät­zlich getrunk­en. Zumin­d­est von den meis­ten nicht!

Der Woch­enen­daus­flug zur Kul­turin­sel Ein­siedel wird nicht ein­fach nachge­holt.

Die Reisen, die man jet­zt nicht machen kann, wer­den nach den Reisebeschränkun­gen nicht dop­pelt und dreifach unter­nom­men. Ger­ade die Reise­branche lei­det unter den Rei­se­ver­boten.

Das Besucher­berg­w­erk, der Rad­wan­der­weg oder die Som­mer­rodel­bahn wer­den nur wenig nützen, wenn es nicht möglich ist, eine Kleinigkeit zu Essen und zu Trinken. Dann bleiben die Leute weg. Wir ken­nen das doch jet­zt schon, wenn wir in bes­timmte Regio­nen guck­en.

Und wenn in den ländlichen Regio­nen noch die let­zten Gasthöfe schließen, dann liegt dort der Hund begraben. Denn auch die gehören zur sozialen und kul­turellen Infra­struk­tur und machen Attrak­tiv­ität von Leben­sräu­men aus.

Deshalb wer­ben wir dafür, dass für diese Touris­mus­branche nochmal genau hingeschaut und gründlich über­legt wird, wie gefördert und unter­stützt wer­den kann. Die Kred­ite wer­den an vie­len Stellen nicht reichen bzw. sind sie auf lange Sicht fatal. Hier muss Geld lock­er gemacht wer­den, was nicht zurück gezahlt wer­den muss — jet­zt und per­spek­tivisch. Wir brauchen hier einen lan­gen Atem. Geld für den Touris­mus ist in erster Lin­ie Geld für die Regio­nen und eine Investi­tion in die kul­turelle Vielfalt und Attrak­tiv­ität Sach­sens.

Wir fordern mit unserem Entschließungsantrag, dass spezielle Konzepte mit den Beteiligten entwick­elt wer­den. Fan­gen Sie an, den Leuten zuzuhören und ihre Ideen und Konzepte ernst zu nehmen. Die Touris­tik­er wis­sen wovon sie reden und ganz sich­er wollen die keine Gesund­heit gefährden. Wir erleben ger­ade eine Demo draußen vor dem Land­tag, wo uns nochmal Forderun­gen übergeben wer­den. Lassen Sie diese Krise nicht nur die Stunde des Par­la­ments wer­den, son­dern auch der zunehmenden Beteili­gung und des gemein­samen Ler­nens. Ver­trauen, wie es Hen­ning Homann vorhin vorhin gesagt hat, das muss man schaf­fen.

Wir fordern auch, dass auf diejeni­gen geachtet wird, die derzeit­ig eben nicht wie jedes Jahr Kinder und Jugendliche willkom­men heißen bei Ihren Klassen­fahrten, wo Freizeit und Bil­dung mit wun­der­baren Pro­jek­ten ineinan­der überge­hen — die Jugend­her­ber­gen. Gle­ichzeit­ig sind diese Unterkün­fte auch im Som­mer Unterkün­fte für Wan­der­er, für Fam­i­lien, die preiswert­er reisen wollen und vielle­icht auch müssen.

Vielle­icht kön­nen Sie ja, liebe Regierungskoali­tion ein­mal über ihren Schat­ten sprin­gen und unserem Entschließungsantrag zus­tim­men. Wenn nicht, dann nehmen sie die Punk­te doch bitte mit in ihren eige­nen Maß­nah­mekat­a­log auf.

Ganz ehrlich, die vorüberge­hende Mehrw­ert­s­teuersenkung in der Gas­tronomie, die Staffelung des Kurzarbeit­ergeldes und die Öff­nung für Kurzarbei­t­ende, hinzu ver­di­enen zu kön­nen, das ist alles richtig, wird die Betriebe aber mit­tel-und langfristig nicht ret­ten.

Den vie­len Beschäftigten hil­ft am meis­ten, wenn ihre Unternehmen über­leben und Sach­sen ein attrak­tiv­er Touris­mus­stan­dort bleibt.

Ich möchte bitte keine Stim­men hören, die sagen, dass ist zu teuer oder ‚warum aus­gerech­net die‘?

Denn, ganz ehrlich, ich möchte mir ein Sach­sen ohne Stadt­führun­gen, die zu jüdis­chen Orten führen oder die the­ma­tisch auf die Ver­brechen der NS — Zeit hin­weisen, ohne Jugend­her­ber­gen, die unseren Kindern Natur und Geschichte nahe brin­gen, ohne säch­sis­che Rei­sev­er­anstal­ter, die indi­vidu­ell und mit Herzblut Urlaube organ­isieren und Arbeit­ge­ber sind, ohne Gast­gewerbe in allen Regio­nen, ohne Freizeit­ein­rich­tun­gen, die wir alle mit unseren Fam­i­lien und Fre­un­den an Woch­enen­den nutzen, nicht vorstellen.

Ger­ade in diesen Zeit­en.

Wir reden über den Zusam­men­halt der Gesellschaft, über gute Lebens­be­din­gun­gen und let­ztlich auch über Kul­tur und damit über die Kul­tur des Miteinan­ders.