Neue linke Volkspartei?

Neue Poli­tis­che Auf­brüche wer­den immer wieder mal gefordert und angekündigt, auch in der LINKEN. Wie der ein­er neuen linken Volkspartei, ein­er „linken Sam­mel­be­we­gung“, gelin­gen soll, bleibt dabei abso­lut im Dunkeln. Es stellt sich sog­ar die Frage, was daran links sein soll.

Die Reflexe sind dabei bekan­nt: Immer dann wenn, irgend­wo das zarte Pflänzchen ein­er echt­en oder ver­meintlich linken Bewe­gung blüht, wird der Spross von Einzel­nen zum Vorzeige­pro­jekt und Vor­bild für die deutsche LINKE stil­isiert. In ihrer ganzen Unter­schiedlichkeit in Herange­hensweise, poli­tis­chen Rah­menbe­din­gun­gen und Grün­den für ihre Erfolge haben dann Cor­byn mit Labour, Sanders in den USA oder Mélen­chon in Frankre­ich zumin­d­est eines gemein­sam: Sie müssen als Kro­nzeu­gen her­hal­ten dafür, was in der deutschen poli­tis­chen LINKEN ange­blich schief läuft und wie man sie zurück­bringt aufs Gleis.

Doch ger­ade let­zt­ge­nan­nter und immer wieder im Munde geführter Mélen­chon zeigt: Solche „Bewe­gun­gen“ kom­men auch gern nation­al­is­tisch, antieu­ropäisch, in Bezug auf Geflüchtete dur­chaus frem­den­feindlich und in der Ten­denz autoritär daher. Autoritär deshalb, weil eher ein­er Führungsper­son gefol­gt wird, als etwa ein Pro­gramm ver­standen wird. Und selb­st nicht ein­mal mehr den Anspruch darauf erhebt, links zu sein.

Wie aus­gerech­net dieser Ver­such also als Vor­bild ein­er deutschen LINKEN dienen sollte? Nach der Bun­destagswahl entspann sich auch in der LINKEN lei­der der Stre­it ent­lang der Wahlver­luste an rechte Parteien und um Flüchtlingspoli­tik. Beklagt wurde von den Wort­führerIn­nen ein­er von „nationalen“ Inter­essen geleit­eten Poli­tik in der Linken, vor allem der Weg­gang von 400.000 Men­schen an die AfD, von denen viele Arbei­t­ende und Erwerb­slose waren. Nun wäre grund­sät­zlich die Ein­sicht, dass abhängig Beschäftigte oder Abge­hängte nicht automa­tisch links tick­en, erst ein­mal angemessen, bevor man anset­zt zu weit­eren Erk­lärun­gen. Das begreifen aber offen­bar vor allem diejeni­gen nicht, die die arbei­t­en­den Massen so gerne führen wür­den. Das Greinen über die 400.000, die man so gerne zurück­holen will, überdeckt dabei die notwendi­ge Freude über 1,5 Mil­lio­nen neue Wäh­lerin­nen und Wäh­ler.

Ja, so viele haben 2017 DIE LINKE neu gewählt! Sie haben das wom­öglich getan, weil DIE LINKE — wie keine zweite Partei — den Men­schen, die sich dem nation­al­is­tis­chen Irrsinn in den Weg gestellt haben, beige­s­tanden hat. Ger­ade in den Städten ist das linke Milieu bestrebt, um indi­vidu­elle Frei­heit und gegen die Zumu­tun­gen des Staates, aber auch gegen die Aushöh­lung von Bürg­er- und Men­schen­recht­en zu kämpfen. Diese Men­schen haben kein Inter­esse an ein­er Linken, deren Pro­gramm aus einem Namen und einem Rück­zug auf nationale Ego­is­men beste­ht. Das wäre dann auch keine Linke. Pop­ulis­mus ist kein Pro­gramm.

Vielle­icht wäre es auch sin­nvoll gewe­sen darüber nachzu­denken, was Links im 21. Jahrhun­dert ist und wie sich heute die soziale Frage stellt. Ob diese zu stellen nicht viel eher heißt, wer aus dem Sys­tem her­aus­ge­drängt wurde und eben nicht von ihm prof­i­tiert und deshalb unter­stützt wer­den muss.

Die Flucht in die Real­ität ander­er europäis­ch­er Län­der ist deshalb keine Per­spek­tive für die Organ­i­sa­tion poli­tis­ch­er link­er Mehrheit­en in Deutsch­land. Der Ruf nach ein­er linken Sam­mel­be­we­gung, ein­er Volkspartei, die sich aus Teilen von LINKEN, SPD und Grü­nen bilden solle und am franzö­sis­chen Vor­bild ori­en­tiert, lässt näm­lich auch eines aus den Augen: Die franzö­sis­che Linke steckt am Ende weit­er­hin im gle­ichen Dilem­ma fest, wie die deutsche. Weit und bre­it ist keine linke Mehrheit in Sicht, die sich als gesellschaftlich­er Gege­nen­twurf organ­isieren ließe. Nur die rauchen­den Trüm­mer ein­er einst stolzen Sozialdemokratie. Es erk­lärt sich vor allem auch nicht, warum ger­ade diejeni­gen am lautesten nach ein­er linken Samm­lungs­be­we­gung inklu­sive der SPD schreien, die gar nicht gehäs­sig genug und mit klammheim­lich­er Freude auf jeden Fehler und jede Wahlnieder­lage der­sel­ben reagieren kön­nen.

Es ist nicht unsere Auf­gabe, Teile des poli­tis­chen Parteien­sys­tems neu zu ord­nen, andere organ­isatorisch zu schwächen, son­dern Men­schen, die das Ziel ein­er linken Mehrheit im Lande teilen, in ihren Parteien zu stärken. Wir müssen Bande knüpfen, Gesprächs­fä­den spin­nen, Hand­lung­sop­tio­nen eröff­nen, damit diese in ihren Parteien den Umbruch erre­ichen kön­nen. Wir müssen dazu vor allen Din­gen auch eines tun: Wir müssen unsere Posi­tio­nen schär­fen, klar­er als jet­zt und unter­schei­d­bar­er Posi­tion beziehen. Ist es wirk­lich notwendig, zu debat­tieren, ob Hartz-IV-Empfän­gerIn­nen, die Geflüchteten die Sozial­woh­nung nei­den, rechts sind oder nicht? Nicht nur, dass das an der Real­ität der Wäh­lerIn­nen­schaft recht­spop­ulis­tis­ch­er Parteien vor­beige­ht. Es ist doch vielmehr links, die Ver­hält­nisse zu benen­nen, welche die Ärm­sten und Entrechteten in dieser Gesellschaft in Konkur­renz um diese Woh­nung treten lassen. Und sozial­is­tisch ist es, diese Ver­hält­nisse bis an die Wurzel zu bekämpfen. Eine Klärung unser­er Posi­tio­nen ist in vie­len Punk­ten erforder­lich. Dig­i­tal­isierung, Glob­al­isierung und Klimwan­del ver­lan­gen neue Antworten. Sie ver­lan­gen nach ein­er pro­gram­ma­tis­chen Debat­te und Erneuerung. Richtig wäre die Frage zu stellen, wie sich die derzeit­ige LINKE verän­dern muss, um attrak­tiv­er in Stadt und Land und das nicht nur für Mit­glieder zu sein und beste­hende Struk­turen neu zu über­denken. Das wäre eine weitaus sin­nvollere Auf­gabe, als über Samm­lungs­be­we­gun­gen zu sprechen.

In diesem Jahr feiert Karl Marx seinen 200sten Geburt­stag. Sein kom­mu­nis­tis­ches Man­i­fest endet nicht mit dem Ruf „Pro­le­tari­er in Deutsch­land, schließt die Gren­zen und stärkt den Sozial­staat“, son­dern mit dem Ruf „Pro­le­tari­er aller Län­der, vere­inigt euch!“. Wer in diesem Jahr seinen Namen auch nur im Munde führen will, kann nicht auf dem kurzen Wege die Rück­kehr in den Nation­al­staat fordern. Die sozial­is­tis­che Per­spek­tive bleibt die Inter­na­tionale. Die Prax­is bleibt die Sol­i­dar­ität.
Und apro­pos Samm­lungs­be­we­gung. Wenn es in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land eine Samm­lungs­be­we­gung gibt, dann ist das die Partei DIE LINKE. Sie vere­inigt SozialdemokratIn­nen, ökol­o­gis­che Linke, Sozial­istIn­nen, wie Kom­mu­nistIn­nen. Wer meint, Linke unter einem neuen Ban­ner zusam­men­führen zu wollen, der würde zuerst eines tun: DIE LINKE spal­ten.

Antje Feiks (Lan­desvor­sitzende Sach­sen)
Luise Neuhaus-Warten­berg (Mit­glied des Geschäfts­führen­den Parteivor­standes)
Thomas Dudzak (Lan­des­geschäfts­führer Sach­sen)