Wünsche an den LINKE-Bundesparteitag in Leipzig — Na Hola die woodfairy … oder auch ‘we wait and we wonder’

image-300x129 Was wir uns vom kom­menden Bun­desparteitag wün­schen…
Von Antje Feiks und Luise Neuhaus-Warten­berg

In weni­gen Tagen tre­f­fen sich Genoss*innen aus dem gesamten Bun­des­ge­bi­et in Leipzig zum Parteitag. Dort soll, fol­gt man der vorgeschla­ge­nen Tage­sor­d­nung, wenig Sen­sa­tionelles passieren. Ein neuer Vor­stand wird wahrschein­lich ohne größere Über­raschun­gen gewählt, ein paar Posi­tio­nen in Anträ­gen und Res­o­lu­tio­nen bekräftigt und besten­falls ein wenig sub­stan­ti­iert. Jene Auseinan­der­set­zun­gen, die die Partei seit Monat­en beschäfti­gen, näm­lich das Kom­pe­ten­zgerangel zwis­chen Partei- und Frak­tion­sspitze und auch die nicht abebben wol­len­den Ver­suche, die Asyl- und Migra­tionspoli­tik zum casus knack­sus der Partei zu erheben, belas­ten zunehmend die Atmo­sphäre weit über die genan­nten Kreise hin­aus, bis in die Parteiba­sis hinein und wer­den auch nach diesem Parteitag mit Sicher­heit nicht zu Ende sein.

Und ja, wir bei­de haben für die Bun­destagswahl die bei­den Spitzenkandidat*innen Wagenknecht und Bartsch unter­stützt. Und ja wir bei­de haben viel Kri­tik an bei­den, an bes­timmten Äußerun­gen, an dem, was sie teil­weise tun oder auch nicht tun.
Und ja, das hat uns bei Teilen der Partei viel Kopf­schüt­teln einge­bracht, bis hin zu erbit­tert­er Geg­n­er­schaft. Und den­noch find­en wir es nach wie vor richtig, dass bei­de Frak­tionsvor­sitzende die Köpfe für die Bun­destagswahl waren.
Seit dem sind Monate ver­gan­gen und es gäbe doch so viel anderes zu tun. Der Parteitag trifft sich in einem Bun­des­land, dass sich, und dass auch nicht erst seit gestern, in ein­er schwieri­gen Sit­u­a­tion befind­et. Und genau deshalb haben wir, aus Sach­sen kom­mend, Anforderun­gen an einen solchen Parteitag — zumin­d­est geben wir die Hoff­nung nicht auf, denn die stirbt ja bekan­ntlich zulet­zt.

Seit 28 Jahren regiert in Sach­sen die CDU, ganze Gen­er­a­tio­nen ken­nen Sach­sen nur CDU „geführt“. Dementsprechend regierte und regiert sie, als gehörte das Land ihr. Gelder verteilte man nach Gut­sher­re­nart, über­ließ den ländlichen Raum sich selb­st, ver­nach­läs­sigte Investi­tio­nen in Gemein­wohl und Bil­dung, krim­i­nal­isiert weit­er­hin linke Struk­turen und negierte selb­st das Offen­sichtliche, näm­lich umfan­gre­iche Nazistruk­turen, beson­ders auf dem Land und in den Mit­telzen­tren. Zur let­zten Bun­destagswahl wurde dann vom Wäh­ler und der Wäh­lerin die Quit­tung präsen­tiert: die recht­sradikale AfD wird sach­sen­weit mit 27 Prozent noch vor der CDU mit 26,9 stärk­ste Kraft. Das linke Lager aus SPD, Grü­nen und LINKE kommt zusam­men auf ger­ade noch 31 Prozent, wobei die LINKE mit 16,1 Prozent noch am stärk­sten abschnei­det, jedoch eben­falls 4 Prozent zur Bun­destagswahl 2013 ver­liert.

Die von der CDU zu ver­ant­wor­tende Entsol­i­darisierung und Spal­tung der Gesellschaft, Frust über das starke Stadt-Land-Gefälle, Angst vor per­sön­lichem Abstieg und Ver­säum­nisse bei der Bewäl­ti­gung der
Her­aus­forderun­gen in Bezug auf die Auf­nahme und Inte­gra­tion von Geflüchteten, entlu­den sich schein­bar bei diesem katas­trophalen Wahlergeb­nis.

Alle demokratis­chen Parteien Sach­sens haben in Folge dessen erkan­nt, dass sich sowohl Form als auch Inhalt säch­sis­ch­er Poli­tik grundle­gend ändern müssen. Die Frage ist nur wie? Und ja, es find­en Verän­derun­gen statt. Stanislav Tillich wurde als Min­is­ter­präsi­dent durch Michael Kretschmer erset­zt. Und seit Ende let­zten Jahres kann Men­sch beobacht­en, dass Michael Kretschmer zumin­d­est in der Form deut­lich anders agiert: bürg­er­nah, emphatisch, kom­mu­nika­tiv und mit ein­er nicht zu überse­hen­den „Wir haben verstanden“-Haltung krem­pelt er die säch­sis­che Poli­tik ver­meintlich auf kon­ser­v­a­tiv-links um. Er spricht beim 1. Mai von guter Arbeit, für die die Poli­tik sor­gen müsse. Er erken­nt, zumin­d­est ver­bal, bei Anti-Nazi-Ver­anstal­tun­gen z.B. in Ostritz und Dres­den laut­stark an, dass Sach­sen mit Rechts ein Prob­lem hat, das man nicht länger ignori­eren könne. Er kündigt voll­mundig schnelle und wesentliche Verän­derun­gen, im Bere­ich der Bil­dung, Sicher­heit und Beschäf­ti­gung an.
Doch das, was die säch­sis­che Staat­sregierung tat­säch­lich tut, sind eben keine grundle­gen­den Verän­derun­gen, son­dern lediglich Flickschus­terei. Ganz im Gegen­teil: mit dem Ref­er­ente­nen­twurf eines neuen Polizeiauf­gabenge­set­zes scheint sich die Lan­desregierung in den Wet­tbe­werb um die schärf­sten Sicher­heits­bes­tim­mungen mit Bay­ern zu begeben und mit einem Ankerzen­trum in Dres­den wird der erneute asylpoli­tis­che Rechtss­chwenk der Großen Koali­tion in Berlin nachgeahmt. Sin­nvolle Geset­zesini­tia­tiv­en zur Förderung von Struk­tur und Gesellschaft im ländlichen Raum bleiben aus, von der Bil­dung schweigen wir bess­er. Im Kern wird die falsche Poli­tik der Ver­gan­gen­heit fort­ge­führt. Eine Schwalbe macht noch keinen Som­mer, eine geän­derte Tonart noch keine andere Poli­tik.

Der säch­sis­che Lan­desver­band in unser­er Partei ist auch keine ganz typ­is­ch­er Ost­landesver­band der LINKEN. Die soge­nan­nten säch­sis­chen Ver­hält­nisse machen auch was mit uns als Lan­desver­band. Das Ver­hält­nis von Oppo­si­tion und Regierung im Land­tag ist ein anderes. In fast 3 Jahrzehn­ten wurde nur ein einziger Antrag von uns, noch von der PDS gestellt, angenom­men. Unsere Anträge wer­den schlichtweg aus Prinzip abgelehnt. Das zusam­mengenom­men damit, dass wir noch nie mitregiert haben, lässt uns nur sehr klein­teilig Erfolge nach­weisen, mit denen man im Wahlkampf aufwarten kann. Die Antwort auf die Frage: „Was ändert sich, wenn ich DIE LINKE. wäh­le?“ ist für unsere Genoss*innen am Info­s­tand eine wahrlich nicht Ein­fache. Den­noch sind wir hier in Sach­sen keine 10 Prozent — Partei. Wenn wir es klug anstellen, haben wir ein Wähler*innenpotential von 25 — 30 Prozent.

Wir brauchen für 2019 erst­mal öffentlich keine Mach­top­tion kon­stru­ieren, zumal Grüne und SPD in Sach­sen bis jet­zt eher geneigt sind lieber ein „Weit­er So“ mit der CDU anzus­treben, als deut­lich anzusagen, dass sie einen grundle­gen­den Par­a­dig­men­wech­sel gemein­sam mit der LINKEN wollen. Unsere Kommunalpolitiker*innen, einige wenige Bürgermeister*innen, die wir stellen oder die wir durch Wahlbünd­nisse unter­stützt haben, hal­ten vor Ort für uns die Fahne hoch. Die Koop­er­a­tio­nen im Stad­trat von Dres­den und Chem­nitz sind nicht in Stein gemeißelt, son­dern müssen täglich neu erkämpft wer­den.

Unsere Auf­gabe kann in Sach­sen nach unserem Dafürhal­ten nur darin beste­hen, für ein human­is­tis­ches, sol­i­darisches, soziales und mod­ernes Men­schen­bild zu kämpfen und all jene zu unter­stützen, die das genau­so sehen. Dafür brauchen wir konkrete linke Ideen und Antworten auf die Fra­gen der Zeit. Vor allem aber brauchen wir Antworten, die auch jen­seits der urba­nen Zen­tren tau­gen, denn Sach­sen ist in aller erster Lin­ie ein Flächen­land!
Wir sind viel in Sach­sen unter­wegs, bewe­gen uns zwangsläu­fig im soge­nan­nten ländlichen Raum, disku­tieren mit Men­schen, die uns nicht nur mit Wohlwollen begeg­nen und stellen fest, dass viele ihrer Fra­gen an unseren derzeit­i­gen Antworten vor­bei gehen.

Wir wün­schen uns:

  • eine Bun­despartei, die uns mit­denkt.
  • eine Bun­despartei, die nicht nur über Plu­ral­is­mus redet, son­dern den auch lebt. Für eine kul­tur­volle inhaltliche Debat­te muss es entschei­dend sein, was gesagt wird und nicht wer was sagt.
  • eine Bun­despartei, die eben nicht wie die säch­sis­che Staat­sregierung agiert. Das Rin­gen um die bessere Idee sollte im Vorder­grund ste­hen, wenn es uns tat­säch­lich um den Inhalt unser­er Poli­tik geht. Der Aus­bau der eige­nen Macht­po­si­tion und das Befördern des Gegeneinan­ders bis hin zum soge­nan­nten Tod­siegen, wird auf Dauer nicht dazu tau­gen, dass wir unter dem Dach unser­er Partei Genoss*innen und Genossen vere­ini­gen, die völ­lig unter­schiedliche Zugänge zu link­er Poli­tik haben. Sol­i­dar­ität dür­fen wir nicht nur gesellschaftlich propagieren, son­dern auch inner­parteilich leben.
    eine Bun­despartei, die Impulse für eine Weit­er­en­twick­lung der pro­gram­ma­tis­chen Grund­la­gen der Partei, eine Mod­ernisierung unseres Gesellschafts­bildes set­zt. Hören wir auf mit dem inhaltlichen Burgfrieden. Lasst uns wieder Mut haben, Visio­nen zu entwick­eln. Wie wollen wir kün­ftig leben, wie gehen wir mit den Verän­derun­gen in der Arbeitswelt um, welche konkreten Lösun­gen bieten wir an, um der Entsol­i­darisierung Ein­halt zu gebi­eten? Pflege und Wohnen sind dabei wichtige Bausteine, die Sor­gen der Men­schen sind jedoch weit vielfältiger.
  • eine Bun­despartei, die das The­ma „Ost­deutsch­land“ adäquat berück­sichtigt, die die Idee eines Bedin­gungslosen Grun­deinkom­mens weit­er disku­tieren und dazu eine Entschei­dung trifft, die über visionäre Ansätze, wie die Repub­lik Europa, die Arbeit der Zukun­ft jen­seits der Vollbeschäf­ti­gung stre­it­et. Die den kleinen Handw­erk­er und die Unternehmerin um die Ecke nicht a pri­ori als Klassen­feind, son­dern vielle­icht als möglichen Part­ner betra­chtet. Kom­mu­nalpoli­tik ist die Grund­lage unser­er Ver­ankerung vor Ort. Klar muss sein, dass dort, wo kein Genosse oder keine Genossin mehr ist, find­et unsere Partei nicht statt. Aber dort wo nicht mal mehr ein Gemein­der­at ist, der egal, ob Mit­glied bei uns oder nicht, für unsere Poli­tik­stre­it­et, find­et keine linke Poli­tik mehr statt. Näch­stes Jahr sind zahlre­iche Kom­mu­nal­wahlen. Die Bun­despartei hat dort ihrer Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den.

Mit dem let­zten Lan­desparteitag haben wir einen Prozess begonnen, die derzeit­i­gen Her­aus­forderun­gen engagiert anzuge­hen. Wir wer­den kün­ftig noch mehr als bish­er die Men­schen, die uns unsere Stimme geben sollen, in unsere Poli­tik ein­beziehen. Müssen!
Wir disku­tieren darüber, wie wir den Zusam­men­halt in der Gesellschaft stärken, Äng­ste abbauen und gemein­sam eine Zukun­ftsvi­sion für Sach­sen entwick­eln und gestal­ten kön­nen. Wir fan­gen also sehr wohl bei uns selb­st an.

Kurzum, wir fordern einen Bun­desparteitag in Leipzig, der Kri­tik zulässt und zu dem Debat­ten, statt immer wiederkehren­der Beken­nt­nisse zur Selb­stvergewis­serung möglich und vor allem gewollt sind.

Die Autorin­nen:
Antje Feiks ist Lan­desvor­sitzende der LINKEN in Sach­sen und Land­tagsab­ge­ord­nete im säch­sis­chen Land­tag, Luise Neuhaus-Warten­berg ist Mit­glied des geschäfts­führen­den Parteivor­standes und stel­lvertre­tende Frak­tionsvor­sitzende der LINKEN im säch­sis­chen Land­tag

Hier geht es zum Papi­er: Wood­fairys tale